CBL: Cross Border Leasing – Gemeinderatssitzung Protokoll 2003 Wien

CBL ist die nichtssagende Abkürzung für das ebenfalls nichtssagende Cross Border Leasing: Ein Thema, welches uns alle in Europa betrifft!

Der Gemeinderatsabgeordnete Dipl. Ing. Martin Margulies hielt im April 2003 eine köstliche Rede vor dem Wiener Gemeinderat, die anfänglich sogar etwas kindlich wirkt. Doch das ändert sich schnell, als der Gemeinderat die perfiden Machenschaften der internationalen Abzocker genau erläutert.

Spannend und informativ ist sein Vortrag, der das betrügerische Kredit-Pyramidensspiel mit den Notwendigkeiten der Bevölkerung auf den Tisch bringt. Die Milliardärsmedien schweigen, wie immer, oder bringen lediglich undurchschaubare Floskeln.

Gemeinderat, 27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll  –  Seite 25 bis 29

Zum Wort gemeldet ist Herr Dipl Ing Margulies. Sie wissen ja, dass Sie für Ihre Ausführungen 40 Minuten Zeit haben.

GR Dipl Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!

„Witnesseth

Whereas, the city, as Grantor, proposes to grant to the trust, as Grantee, a right of usufruct with respect to the systems persuant to the Grant, and the city, as the Key Parts Grantor proposes to protect the rights granted to the Trust persuant to the Grant by granting to the Trust, as Key Parts Grantee, a right of usufruct with respect to the Key Parts persuant to the Key Parts Grant;“ (GR Heinz Hufnagl: Die Verhandlungssprache ist Deutsch im Wiener Gemeinderat!)

Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner (unterbrechend): Zitieren Sie etwas, oder wird jetzt die ganze Rede in Englisch gehalten?

GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend): „Whereas, the Trust, as Lessor, proposes to lease the System to the city, as Lessee, persuant to the lease;“ (GR Walter Strobl: Kein Pidgin-Englisch, bitte! – GR Mag Thomas Reindl: Vollkommen klar!)

Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner (unterbrechend): Zitieren Sie etwas? Antworten Sie auf meine Frage, bitte. (GR Godwin Schuster: Er zeigt uns, dass er eine schlechte Aussprache hat!)

GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend): „And whereas, each of the lender has agreed to finance a portion of the Lessor’s cost.“

For example „22e) Governing Law: This participation Agreement shall be governed by and construed in accordance with the Law of the State of New York excluding …“

Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner (unterbrechend): Herr Dipl Ing Margulies! Zitieren Sie, oder ist das Ihre Rede? Falls das Ihre Rede ist, muss ich Sie leider darauf hinweisen, dass die Sprache hier Deutsch ist, und dann muss ich Sie bitten, abzubrechen.

Ich nehme an, es ist ein Zitat, und bitte, auf Deutsch fortzufahren.

GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Laut der Geschäftsordnung des Magistrates und auch des Gemeinderates gebe ich Ihnen Recht, die Amtssprache ist Deutsch. Nur: Wie soll man über einen 500-Millionen-EUR-Tagesordnungs-punkt, einen 7-Milliarden-ATS-Tagesordnungspunkt sprechen, wenn die Unterlagen zu diesem Tagesordnungspunkt nur in Englisch vorhanden sind? (GR Mag Thomas Reindl: Sie können eh Englisch sprechen!)

Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner (unterbrechend): Herr Dipl Ing Margulies, es ist geglückt. Ich muss Ihnen zugeben, der Einstieg ist geglückt! Ich würde trotzdem bitten, dass Sie jetzt auf Deutsch fortfahren.

GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend): Sie haben den ersten Teil auf Englisch gehört, einen Teil, der sich in fast allen Cross Border Leasing-Verträgen wiederfindet, so auch in dem Cross Border Leasing-Vertrag, der

http://www.wien.gv.at/mdb/gr/2003/gr-027-w-2003-04-23-025.htm

heute zur Debatte steht. Ich habe den Gesichtern hier entnommen, dass es nicht so einfach war, diesem Vertragstext zu folgen, einem Vertragstext … (GR Gerhard Pfeiffer: Das war Ihr Englisch! – Weitere Zwischenrufe.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Dann mache ich gleich vorweg einen Test mit Ihnen. (Ruf bei der FPÖ: Einen Englisch-Test?) Nicht einen Englisch-Test, sondern einen viel banaleren: Wer von Ihnen hat sich denn diesen Vertragsentwurfstext, der ungefähr 600 bis 700 Seiten umfasst und ausschließlich – inklusive aller Anmerkungen – in Englisch abgefasst ist, bisher angesehen? Sie reden über 500 Millionen EUR. Wer von Ihnen hat sich diesen Vertragstext angesehen? (GR Mag Thomas Reindl: Wir alle!) Wir alle – so ein Schmäh! (Heiterkeit.) Ich bin überzeugt davon, dass das nicht stimmt. (GR Mag Thomas Reindl: Fragen Sie mich was!)

Wenn ich mich hier umschaue, bin ich eigentlich entsetzt, ich sage es ganz offen. Wir haben erst vorhin gehört, vor gut zwei Jahren hat uns Herr StR Rieder erklärt, welche Innovation der Wirtschafts- und Technologiefonds darstellt. Ja, schön schauen wir aus! Jetzt hören wir wieder, welche Innovation das Cross Border Leasing zur Finanzierung der Gemeinden darstellt – es wird tagtäglich praktiziert. Aber dann kommen wir drauf, dass sich gegenwärtig die Risiken in Wirklichkeit überhaupt nicht abschätzen lassen. Nicht nur das, es geht tatsächlich so weit, dass dieser Vertragstext für jemanden, der über ein Englisch-Niveau verfügt, welches man auch für jeden Mandatar hier im Saal annehmen und unterstellen könnte, ob der Komplexität in Wirklichkeit nicht einmal zu lesen und zu verstehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich daher inhaltlich weitergehend mit dem Punkt auseinander setze, bringe ich einen Gegenantrag ein, der eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Dieser Antrag lautet:

Vor einem endgültigen Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit Cross Border Leasing Transaktionen und diesbezüglichen Genehmigungen beziehungsweise Ermächtigungen an den Magistrat, wie im vorliegenden Poststück vorgesehen, ist jedenfalls ein allumfassender, beglaubigter deutschsprachiger Vertragsentwurf in Letztfassung für alle GemeinderätInnen zur Einsichtnahme aufzulegen. Zur Einsicht ist ein der Komplexität der Materie entsprechender Zeitrahmen zu gewährleisten.

Sie selbst haben darauf hingewiesen, dass die Amtssprache Deutsch ist. Sie selbst haben mich mehrmals darauf hingewiesen, ich möge, bitte, mit dem Englischsprechen aufhören. Ja, bitte halten Sie selbst die Grundregeln der Demokratie ein, indem Sie Verträge – noch dazu dann, wenn es um die Größenordnung von 500 Millionen EUR geht, und das ist kein Klacks – in deutscher Sprache zur Begutachtung vorlegen. Das ist ein Mindeststandard an Demokratie!

Aber wie ist denn das mit den Verträgen ganz generell? Es sind mehrere Verträge – für alle, die es nicht gesehen haben -, es gibt einen Hauptvertrag und mehrere Ordner, worin Nebenabsprachen getroffen werden. Was prangt ganz groß auf der ersten Seite jedes Vertragsentwurfs? „Achtung“ – auf Englisch, und ich übersetze frei; das steht nicht auf Deutsch dort, auf Deutsch findet sich in diesem Vertragsentwurf kein Wort -, „Achtung, diese Verträge sind im Ausland aufzubewahren“! Sollten sie in Österreich aufbewahrt werden, müsste jede einzelne Seite mit einer Stempelmarke beklebt werden.

Die Stadt Wien einigt sich also im Vorhinein, noch bevor irgendetwas abgeschlossen ist, darauf, dass ein Vertrag, der die Stadt Wien betrifft, nicht in deutscher Sprache, nicht beglaubigt und schon gar nicht in Österreich aufbewahrt wird! Sehr geehrte Damen und Herren, und dann wollen Sie uns einreden, das sei ein sicheres Geschäft? Wo kommen wir da eigentlich hin? Ist es das Über-Bord-Werfen sämtlicher demokratiepolitischer Grundsätze? Ist es das Über-Bord-Werfen sämtlicher wirtschaftspolitischer Vernunft?

Ich denke: ja – daher noch einmal zurück, bevor wir uns tatsächlich eingehend damit befassen! Ich ersuche hier wirklich die Mehrheitsfraktion, die sozialdemokratische Fraktion, um Zustimmung. Sie entscheiden heute darüber, ob Verträge, die die Stadt Wien massiv betreffen und möglicherweise auf 99 Jahre hinaus betreffen können, auch in Wien aufgelegt werden können und deutschsprachig vorhanden sind. Sie entscheiden darüber, welchen Stellenwert die Demokratie in Wien weiter genießt. „In aller Demut“ – um Bgm Häupl zu zitieren -, „in aller Demut“: Nehmen Sie Ihre Mehrheitsmöglichkeiten wahr und stellen Sie sicher, dass es möglich ist, solche Verträge in Wien durchgehend deutschsprachig übersetzt zur Verfügung zu haben!

Herr StR Rieder! Damit es leichter wird, verlasse ich ganz kurz das Rednerpult und stelle Ihnen gerne eine Packung Papier zur Verfügung, damit Sie nicht die Kosten des Papiers für die Übersetzung tragen müssen. (Der Redner überreicht VBgm Dr Sepp Rieder die erwähnte Packung Papier.) Ich weiß, die Stempelmarken für die beglaubigte Übersetzung – beziehungsweise die Stempelgebühren; Marken zu picken ist so nicht mehr notwendig – werden teuer genug kommen.

Aber kommen wir zu weiteren Punkten des Vertrages, weil immer gesagt wird, dass dies so sicher ist. Ich beginne einmal beim Gerichtsstand. Nicht bei jedem Vertrag, den die Stadt Wien abschließt, ist der Gerichtsstand Wien, das ist vollkommen klar. Aber warum ist bei allen Cross Border Leasing-Verträgen der Gerichtsstand jedenfalls New York? Warum steht jedenfalls geschrieben, dass die Vereinbarungen im „State New York“ abgeschlossen werden müssen? Warum ist das der Fall? – Einzig und allein deshalb, damit amerikanisches Recht zur Anwendung gelangt, amerikanisches Recht, von dem wir alle wissen, dass es nicht so etwas wie ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch gibt, sondern amerikanisches Recht, dessen Rechtsprechung aus einer Vielzahl von Urteilen ergeht, wobei man oft genug nicht im Vorhinein weiß, in welcher Art seitens des Gerichts entschieden wird.

Doch die Stadt Wien ist anders, in einem Punkt: Während im sonstigen deutschsprachigen Raum

http://www.wien.gv.at/mdb/gr/2003/gr-027-w-2003-04-23-026.htm

tatsächlich nur New York als Gerichtsstand angegeben ist, schaut es im Cross Border Leasing-Vertrag über das Kanalnetz ein Äuzerl anders aus – es gibt einen zweiten Gerichtsstand. Jetzt würde man doch annehmen, der zweite Gerichtsstand läge irgendwo dort, wo einer der Beteiligten, insbesondere die Gemeinde Wien, ihren Sitz hat, oder möglicherweise auf den Cayman-Inseln, weil von dort auch Kreditgeber kommen – von den sicheren Cayman-Inseln, einer Steueroase der Weltpolitik; dazu später -, aber nein: Der zweite Gerichtsstand liegt im High Court of London!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wissen Sie, was der Sinn dahinter ist, dass es neben New York einen zweiten Gerichtsstand in London gibt? Es gibt für solche Sachen kein Vollstreckungsabkommen zwischen den USA und Österreich. Das heißt, sollte tatsächlich – und das hat ja nur für den Investor einen Sinn – die Stadt Wien verurteilt werden, muss sich der Investor absichern, dass es neben dem amerikanischen Gerichtsstand noch einen zweiten in Europa gibt. Da wählt man am besten London, aber schon gar nicht Wien: weil da etwas „Blödes“ herauskommen könnte, wählen wir London! Damit ist sichergestellt, dass der Investor seine Sachen gegenüber der Stadt Wien, sollte es zu so genannten „Defaults“ kommen, tatsächlich durchsetzen kann.

Darüber hinaus gibt es ein Schiedsgericht, das sich an die Spielregeln der Welthandelskammer hält. Wo wird sich das befinden? – Selbstverständlich in New York, das ist vollkommen klar! In Wien wird sich diesbezüglich nichts befinden, weil, wenn es nach der Stadt Wien geht, die Verträge auch nicht in Wien, sondern außerhalb des Landes aufgehoben werden. Das erklärt, warum man in Wirklichkeit überhaupt nicht vereinbaren muss, dass in Österreich ein Gerichtsstand ist: Wenn sich die Verträge gar nicht in Österreich befinden, dann wird die Stadt Wien ihre bevollmächtigten Vertreter zu etwaigen Diskussionen über die Verträge immer ins Ausland schicken.

Wie schaut das jetzt eigentlich aus? Was ist überhaupt so ein Cross Border Leasing-Vertrag? Da gehen die Einschätzungen auseinander. Die einen sagen, es ist ein super Modell zur Gemeindefinanzierung und zur Budgetsanierung – wobei bisher, wenn man sich das anschaut, eigentlich kein budgetwirksamer Teil ersichtlich ist. Denn im Großen und Ganzen werden nur Dienstleistungsbereiche – gebührenfinanzierte oder tariffinanzierte Dienstleistungsbereiche – Cross Border Leasing-Verträgen unterworfen.

Wenn ich mich der österreichischen Rechtsordnung recht entsinne, hängen zum Beispiel die Kanalgebühren ein bisschen damit zusammen, wie viel die Aufwendungen und Erträge – also der Saldo davon – für die Abwasserbeseitigung ausmachen. Das heißt, eigentlich müssten wir Folgendes annehmen: Sollte es tatsächlich so sein, wie Sie sagen, dann müsste es zu einer Senkung der Gebühren im Abwasserbereich kommen. Aber das ist wiederum nicht der Fall. Das wollen Sie nicht, und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich würde das kurzfristig auch nicht für sinnvoll halten. Aber um aus budgettechnischen Gründen zu sagen, es geht darum, Defizite abzufangen, macht Cross Border Leasing keinen Sinn.

Im Gegenzug gibt es aber viele Verpflichtungen und Probleme, die etwaigen Einmal-Erträgen der Gemeinde Wien gegenüberstehen. Ein Problem, das bisher noch überhaupt nicht festgeschrieben ist, ist der Umgang mit den Sicherheiten. In den internen Akten, die wir im Finanzausschuss wie immer bekommen haben, steht natürlich drin, dass es kaum ein Risiko gibt. Aber wenn es kaum ein Risiko gibt, stellt sich die Frage: Warum wird die Transaktion auf vielen hundert Seiten gegen alle möglichen Risken abgesichert? Warum verlangt der US-Investor beziehungsweise der Kreditgeber dingliche Schuldverschreibungen? Warum – das ist in Wirklichkeit die nächste Umgehung – werden diese dinglichen Sicherheiten nicht im Grundbuch eingetragen, wenn es sie schon tatsächlich geben müsste? Nein, sie werden auf ein Treuhandkonto gelegt, in Form von Grundschuldverschreibungen!

Das heißt, außer den Vertragspartnern bei einem Vertrag, der sonst eigentlich niemand zugänglich sein sollte – das Problem, das man hier im Gemeinderat diskutieren muss, ist das Einzige, was hier sozusagen im Sinne der Geheimhaltung zu nehmen ist -, außer diesen weiß niemand – und ich sage es jetzt absichtlich so, dass es jeder versteht -, dass die Stadt Wien sehr wohl Teile ihres Eigentums verpfändet!

Das könnte natürlich spannend werden, wenn man einmal einen Kredit aufnehmen möchte und der Kreditgeber sich tatsächlich ins Grundbuch eintragen und eine Rangsicherung machen lassen will. Wie sieht es dann damit aus? Muss man die Verträge und die dinglichen Sicherheiten wieder herausgeben? Oder „legt“ man den Kreditgeber und sagt ihm: das ist eh ein Vertrag, da kann überhaupt nichts passieren, wir lassen es versteckt im Treuhandkonto? Das möchte ich mir dann aber anschauen, wie die Stadt Wien damit umgeht. Oder ist sichergestellt, dass wir für die Abwasserversorgung und die Kanalisation innerhalb der MA 30 keinerlei Kredite und Sicherheiten mehr benötigen? – Das ist ein Punkt.

Ein weiterer Punkt: Dass in Wirklichkeit eine große Gefährdung auf die Abwasserversorgung der Stadt Wien zukommt und sich binnen kürzester Zeit herausstellt, dass es sich nicht um so ein super Geschäft handelt, sondern eher um eine Investitions- und Innovationsbremse, zeigt sich, wenn man sich tatsächlich einmal anschaut, was verleast wird und in welcher Art und Weise es verleast wird. Es wird ein System verleast, das System der Abwasserversorgung, und der daraus entstehende Fruchtgenuss. Damit dieses System als wirtschaftliches Eigentum des Trusts, an den tatsächlich verleast wird, anerkannt werden kann, muss es im steuerlichen Eigentum des Trusts stehen.

Um dies gegenüber dem amerikanischen Investor wirklich glaubwürdig darlegen zu können, hat der verleaste Gegenstand, das verleaste System jederzeit instand gehalten zu sein, jederzeit in gleichem Umfang – zumindest in groben Zügen – aufrechterhalten zu werden, und

http://www.wien.gv.at/mdb/gr/2003/gr-027-w-2003-04-23-027.htm

man kann nicht einfach sagen: Gerade bei der Abwasserbeseitigung gibt es neue, innovative Ideen, wir krempeln das System um. Wer weiß, welche Innovationen in den vielfältigsten Bereichen in den letzten 35 Jahren stattgefunden haben, der kann, wenn er möchte, im Kopf durchspielen, welche innovativen Gestaltungsmöglichkeiten es im Bereich der Abwasserversorgung in 20, 25 Jahren geben würde. Davon Gebrauch zu machen, ist nicht möglich, ohne damit einen Vertragsauflösungsgrund gesetzt zu haben! Die Stadt Wien kann zwar, wenn sie in eine neue Abwasserbeseitigung investiert und neue Ideen kreiert, die jetzt vielleicht noch überhaupt nicht vorstellbar sind, aber in 20 Jahren gang und gäbe sein werden, diese umsetzen, nur muss sie das alte System jederzeit betriebsbereit halten und instand halten. Da schaue ich mir dann an, welche Kosten auf die Stadt Wien zukommen – oder ob man nicht sicher ist, nicht felsenfest davon überzeugt ist, dass das eine Innovationsbremse ist!

Sollte sich dann die Stadt Wien entscheiden: okay, wir wollen uns nicht länger geißeln lassen!, dann beträgt der Barwertvorteil, der uns jetzt versprochen wird – in Höhe von 25 Millionen EUR oder 4,5 Prozent des Transaktionsvolumens -, wahrscheinlich gerade 20 Prozent der Pönalzahlungen, die die Stadt Wien an den Trust zu entrichten haben wird. Denn wenn die Stadt Wien eine Vertragsverletzung setzt, dann ist es nicht so, dass man einfach alles rückgängig machen kann, sondern dann ist die Stadt Wien im Sinne des amerikanischen Rechtes natürlich auch schadenersatzpflichtig für den entgangenen steuerlichen Abzugsposten des Investors, und der liegt in der Regel zwischen 20 und 30 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens. 35 Jahre sind eine lange Zeit, da kann viel passieren.

Wenn immer wieder davon gesprochen wird, dass es sich in Wirklichkeit um eine Leasing-Transaktion handelt, und die Unterschiede der doppelten Eigentümerschaft gut und gerne hinweggewischt werden, dann stellt sich schon die Frage, warum sich in dem Entwurf, der uns vorliegt und auch im Finanzausschuss vorgelegt wurde, plötzlich das Zitat findet: Bei Ablauf des Mietvertrages wird der Stadt Wien die Option, die Kaufoption angeboten, das eingeräumte Fruchtgenussrecht zu einem bereits bei Vertragsabschluss fixierten Betrag, dem Kaufoptionspreis, zurückzuerwerben. – Wir sollen also heute einen Akt beschließen, in dem drinsteht: Wir kaufen uns etwas, was uns eigentlich gehört!

Sehr geehrter StR Rieder! Sehr geehrte Frau Kossina! Wem gehört es denn jetzt? Verleasen wir etwas? Oder verkaufen wir etwas? Wenn wir etwas verkaufen, ist klar, dass wir es zurückkaufen müssen. Wenn wir tatsächlich nur etwas verleasen, dann ist es vollkommen absurd, etwas zurückzuverkaufen, weil dann der Vertrag irgendwann einmal ausgelaufen ist, und dann gehört es wieder uns. Sie wissen so gut wie ich, dass es sich bei diesem Leasingvertrag de facto um einen Verkauf handelt, bei dem die Stadt Wien die Option hat, nach 35 Jahren mittels Ausübung dieser Kaufoption den zunächst auf 99 Jahre anberaumten Vertrag sozusagen zu saldieren und abzuschließen. Das wissen Sie, und Sie wissen auch, dass die Stadt Wien auf die Kaufoption verzichten kann; Sie wissen außerdem, dass damit dann die Abwasserbeseitigung, die Dienstleistung der Abwasserbeseitigung endgültig an den Trust übergehen würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie das zumindest heute, und stellen wir das per Beschluss fest! Aber es obliegt Ihnen, diesen Antrag einzubringen, weil Sie, wenn nicht Sie es tun, dem sicher nicht zustimmen. Stellen wir fest, dass jedenfalls das Fruchtgenussrecht an der Abwasserbeseitigung im 21. und 22. Bezirk inklusive der davon betroffenen Gebäude zurückgekauft wird. – Oje, das dürfen wir nicht. Die Stadt Wien darf nicht einmal erklären, dass sie beabsichtigt, dies in 35 Jahren zurückzukaufen, weil nämlich, kaum dass die Stadt Wien dies erklärt hätte, die amerikanische Steuerbehörde sagen würde: Das ist ein Scheingeschäft – dann schon!

Wenn man überhaupt die Geschichte von „Lease and lease back“ über die letzten Jahre verfolgt, dann ist das ein permanenter Wettlauf der US-amerikanischen Steuerbehörden, die sich in vielen Mitteilungen gegen diese Cross Border Leasing Transaktionen ausgesprochen haben, und der US-Regierung, die sich aus unterschiedlichsten Gründen – sei es aus Subventionsgründen für die eigene Wirtschaft, sei es aus Gründen, die darin liegen, dass sie auch einen Fuß in die Dienstleistungsgesellschaft in Europa setzen will – dafür ausspricht, dass solche Schlupflöcher offen bleiben, sodass dieser Kampf an Komplexitäten und Kleinigkeiten entschieden wird. Ein Beistrich anders gesetzt, und das IRS kann es möglicherweise schon so einstufen, dass es ein Scheingeschäft ist.

Real wissen alle: Es ist ein Scheingeschäft. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung amerikanischer Investoren. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung von Banken, die ihren Sitz in Steueroasen wie den Cayman-Inseln haben. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung der Österreichischen Kommunalkreditbank. Es ist ein Scheingeschäft unter Beteiligung der Stadt Wien. Die Kosten für das Ein-Tages-Geschäft – wie es bei der Gemeinde Wien oft gerne dargestellt wird – trägt zunächst der amerikanische Steuerzahler, und im Laufe von 35 Jahren ein Vielfaches davon die Wiener Bevölkerung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solche Scheingeschäfte lehnen wir ab. Unserer Meinung nach bedürfte es, bevor so etwas überhaupt nur angedacht wird, neben der deutschen Sprache, neben dem Aufliegen in Österreich, neben der Klärung, wie das Risiko tatsächlich aussieht, auch eines Konzeptes, wie sich die Frau Umweltstadträtin die Abwasserentsorgung in den nächsten 30 Jahren vorstellt. Gibt es so ein Konzept? Haben Sie jemals darüber nachgedacht? Oder denken Sie sich, es ist nicht notwendig, weil Sie in fünf Jahren wahrscheinlich eh nicht mehr hier sitzen, keine Rolle als Stadträtin mehr spielen und die politische Verantwortung ab dem Zeitpunkt aufhört, ab dem Sie nicht mehr da sind?

Selbiges gilt, wenn man den verschiedensten

http://www.wien.gv.at/mdb/gr/2003/gr-027-w-2003-04-23-028.htm

Gerüchten darüber, sich aus der Politik zurückzuziehen, glaubt, auch für den Finanzstadtrat. Ist das wirklich die Überlegung, jetzt geschwind den Gewinn zu lukrieren, und was in 20, 30 Jahren der Fall sein wird, geht mich nichts an? (GR Kurth-Bodo Blind: Das Konzept der Sozialisten!) Was für Probleme wir dann als Stadt Wien dadurch haben, dass möglicherweise Probleme bei der Abwasserbeseitigung auftreten, geht mich nichts an – ist das Ihre Politik? Ist das die Politik, bei der Sie immer sicher sind, dass nichts passiert, und binnen zwei Jahren – wir haben es beim vorigen Tagesordnungspunkt gehört – sind 1,5 Milliarden EUR einfach spurlos verschwunden? (GR Heinz Hufnagl: Sie können Buchwerte und Realwerte nicht unterscheiden!) Ist das Ihre Politik, dass nichts passiert, dass das AKH nie gebaut wurde und deshalb der AKH-Skandal tatsächlich nie da war – ist das Ihre Politik? Oder schaffen Sie mit uns – man kann über politische Entscheidungen unterschiedlicher Meinung sein, das ist ja das Leben in der Politik – zumindest die Grundvoraussetzungen dafür, dass Demokratie wieder ernst genommen wird!

Ich komme daher auf den ursprünglichen Punkt zurück: Übersetzen Sie zunächst einmal den Vertrag auf Deutsch, und reden wir dann weiter. – Ich danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)

http://www.wien.gv.at/mdb/gr/2003/gr-027-w-2003-04-23-029.htm

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6 Gedanken zu „CBL: Cross Border Leasing – Gemeinderatssitzung Protokoll 2003 Wien

  1. E

    Eines von (offenbar vielen tausenden?!) Puzzlesteinchen dieses perfiden „Spiels“ mit dem Banken immer größere Stücke aus der Homogenität unserer Gesellschaft herausbeissen.

    Selbst ich, der ich einen grossen Teil meiner Zeit, Energie und Gedanken in dieses und ähnliche Themen investiere, kannt diese Schwachsinnsaktion noch nicht. Hatte nie davon gehört.
    …..darf ich mal annehmen, dass die Roten den geforderten Antrag nicht eingebracht und dieses Teil wie gewünscht durchgewunken haben? Womit dann die Wiener Abwasserwirtschaft (a ka „Lerchalschas“) irgendwelchen obskuren internationalen Bankverflechtungen gehören?

    Wie dargestellt würde ja bedeuten, dass zwar der „Trust“ über den Gerichtsstand UK jederzeit die Stadt Wien (und damit die Bürger Wiens) in die Haftung nehmen können, aber – da ich mal annehme, dass der Trust im umgekehrten Fall keine nennenswerten Vermögenswerte in UK (ja vermutlich unter diesem Namen nicht mal in New York) unterhält, – die Stadt Wien im umgekehrten Falle mit jedweden Regressansprüchen auf der Strecke bleiben würde?

    Sind diese überbezahlten Politclowns eigentlich zu irgend etwas in der Lage, ausser zu „lässig-markigen“ Zwischenrufen?

    Jedenfalls Danke für die Information an dieser Stelle, wie man sieht verkaufen und verkauften(!) wir unsere Seele scheibchenweise an den Teufel….. (nicht im religiösen Sinne gemeint).

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  2. Siegfr. Eder

    Griaß Eich, mitanonder !

    Anfangs honimir denckt, so a Bledsinn, was kramt denn der a Sitzungsprotokoll von 2003 außa … Aber beim Lesen isch des wirkli anders gwoara, leider isch es meina Ouga z’anstrengend, sou viel duraz’lesa, aufn Bildschirm ; – aber die paar Absätz, die i glesn hon, die sein mir g’nua, daß i zur selben Meinung kimm, wia der vorige Kommentator: Diese überbezahlten Polit-Clowns sein eigentlich zu sinsch nix imstand, als zu lässig-markige Zwischenrufe !

    Was mir nou auffallt: Um a Gemeinderat zu sein, muß ma anscheinend mehr reden können, als notwendig. (Der Markus Wilhelm hat des CBL vor Jahren auf seiner Seitn „dietiwag.at“ viel kirzer erklärt, und verständli nou dazua.) – Und obwohl die Red‘ von dem Griana recht vernünftig herschaugt, hat lei sei‘ oagne Fraktion geklotscht.

    Aber jetzt sagiEnck nou was, damit i nit mitn Spottn aufher, sondern was Konschtruktivs bring: – Des System, bei ins, in dia Gemeinderät – des hoaßt ma „Konkurrenz-System“ ! – Dia Opposition konn im Rat nix onders beitrogn, als long redn, abr es ändert si gor nuicht, weil die Position souwiasou die Mehrheit hot … – „… miar lossa den reda, sou long er will, mir tian, wia miar wella !“

    Da gab’s holt nou an onders System, nämli des Konkordanz-System, wo alle größeren Parteien zu oan gemeinsamen Beschluß kemmen miaßn, und wou die Meinungen der Kloaneren nit lei g’hert wera miaßa, sondern a in den Beschluß infliaßa miaßa !

    Und wenn sie olle z’sama nit zu oan Beschluß kema, donn kann a kleanare Partei ou nou soga, mir mocha a Volksabstimmung, und nocha wera ma schauga, ob mir nit decht die Mehrheit hinter ins bringa, in dem Punkt. – In dieser Sachfrage. – Hobetses vrstonda ?

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  3. Christian Artikelautor

    Siegfr. Eder schrieb:

    Hobetses vrstonda ?

    Klar habe ich alles verstanden und ich teile deine Meinung, dennoch möchte ich anführen, dass die Mundart alle Nichtösterreicher, nur Schönbrunnerdeutsch verstehende und auf Google-Übersetzung angewiesene Leser ausschließt.

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  4. E

    Konkordanz-Demokratie ist schon gut! (zB Schweiz)
    Das ist eine Evolutionsstufe nach der Konkurrenz- od. Proporz-Demokratie.
    So wie der Homo Sapiens-Sapiens eine Stufe über dem Neandertaler ist.
    Und die einzige plausible Erklärung warum wir nicht alle schon längst diese Konkordanz-Demokratie haben ist, dass dafür zweierlei passieren müsste:
    (a) Die Bürger müssten freiwillig den oft viel zu bequemen Arsch heben, sich informieren und die Stimme erheben (und das ist deutlich mühsamer als zu sagen: „Jau, den wähl‘ ich! Der sieht doch fesch aus!“) und
    (b) Die Politiker (PCF’s) müssten aufhören mit heuchlerisch in Falten gezogenem Gesicht über die politikverdrossenheit der Menschen zu jeiern und dann auch noch bereit sein, tatsächlich etwas von ihrer Macht abzugeben….
    ….and how likely is that?!

    Ausserdem denke ich, dass es möglich sein müsste, selbst die Konkurdanz-Demokratie zu zu verbessern – schliesslicjh ist selbst dieses Strickmuster schon wieder ein paar hundert Jahre alt und heute hätten wir Internet, was sehr viel an direkter Demokratie zusätzlich massiv erleichtern würde.

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  5. Siegfr. Eder

    Allegra, Christian, freut mich, wenn Du alles verstanden hast, und wenn Du sogar meine Meinung teilst.

    Dein „dennoch“ ist schon richtig – hier aber meine Gründe für die Verwendung des süd-bairischen Dialektes, wie er im Tiroler Oberland heimisch ist :

    a) Habe nicht geahnt, daß hier Nicht-Österreicher und sogar anderssprachige Leute mitlesen.
    b) Es war ein Hinweis, daß nicht überall in Ö-Reich Wienerisch gesprochen wird.
    c) Schnell-Leser-innen wurden so zum Langsamer-Lesen gezwungen.

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