Friedrich Nietzsche – Vom neuen Götzen!

Friedrich Nietzsche

Heute möchte ich auf einen Text hinweisen, welcher aus dem Friedrich Nietzsche Buch „Also sprach Zarathustra (Untertitel: Ein Buch für Alle und Keinen, 1883–1885)“ stammt.

Viele Menschen begreifen Nietzsche als Verrückten, der im 44. Lebensjahr tatsächlich an schwerem Irrsinn erkrankte und letztendlich mit 55 sehr früh starb. (Wikipedia)

Doch der Volksmund sagt; Kinder, Besoffene und Irre sprechen die Wahrheit. Also vergleichen wir die 125 Jahre alten Gedanken Nietzsches mit unserer heutigen Zeit.

Vom neuen Götzen!

  • Irgendwo giebt es noch Völker und Heerden, doch nicht bei uns, meine Brüder: da giebt es Staaten.
  • Staat? Was ist das? Wohlan! Jetzt thut mir die Ohren auf, denn jetzt sage ich euch mein Wort vom Tode der Völker.
  • Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: „Ich, der Staat, bin das Volk.“
  • Lüge ist’s! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben.
  • Vernichter sind es, die stellen Fallen auf für Viele und heissen sie Staat: sie hängen ein Schwert und hundert Begierden über sie hin.
  • Wo es noch Volk giebt, da versteht es den Staat nicht und hasst ihn als bösen Blick und Sünde an Sitten und Rechten.
  • Dieses Zeichen gebe ich euch: jedes Volk spricht seine Zunge des Guten und Bösen: die versteht der Nachbar nicht. Seine Sprache erfand es sich in Sitten und Rechten.
  • Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt — und was er auch hat, gestohlen hat er’s.
  • Falsch ist alles an ihm; mit gestohlenen Zähnen beisst er, der Bissige. Falsch sind selbst seine Eingeweide.
  • Sprachverwirrung des Guten und Bösen: dieses Zeichen gebe ich euch als Zeichen des Staates. Wahrlich, den Willen zum Tode deutet dieses Zeichen! Wahrlich, es winkt den Predigern des Todes!
  • Viel zu Viele werden geboren: für die Überflüssigen ward der Staat erfunden!
  • Seht mir doch, wie er sie an sich lockt, die Viel-zu-Vielen! Wie er sie schlingt und kaut und wiederkäut!
  • „Auf der Erde ist nichts Grösseres als ich: der ordnende Finger bin ich Gottes“ — also brüllt das Unthier. Und nicht nur Langgeohrte und Kurzgeäugte sinken auf die Kniee!
  • Ach, auch in euch, ihr grossen Seelen, raunt er seine düsteren Lügen! Ach, er erräth die reichen Herzen, die gerne sich verschwenden!
  • Ja, auch euch erräth er, ihr Besieger des alten Gottes! Müde wurdet ihr im Kampfe, und nun dient eure Müdigkeit noch dem neuen Götzen!
  • Helden und Ehrenhafte möchte er um sich aufstellen, der neue Götze! Gerne sonnt er sich im Sonnenschein guter Gewissen, — das kalte Unthier!
  • Alles will er euch geben, wenn ihr ihn anbetet, der neue Götze: also kauft er sich den Glanz eurer Tugend und den Blick eurer stolzen Augen.
  • Ködern will er mit euch die Viel-zu-Vielen! Ja, ein Höllenkunststück ward da erfunden, ein Pferd des Todes, klirrend im Putz göttlicher Ehren!
  • Ja, ein Sterben für Viele ward da erfunden, das sich selber als Leben preist: wahrlich, ein Herzensdienst allen Predigern des Todes!
  • Staat nenne ich’s, wo Alle Gifttrinker sind, Gute und Schlimme: Staat, wo Alle sich selber verlieren, Gute und Schlimme: Staat, wo der langsame Selbstmord Aller — „das Leben“ heisst.
  • Seht mir doch diese Überflüssigen! Sie stehlen sich die Werke der Erfinder und die Schätze der Weisen: Bildung nennen sie ihren Diebstahl — und Alles wird ihnen zu Krankheit und Ungemach!
  • Seht mir doch diese Überflüssigen! Krank sind sie immer, sie erbrechen ihre Galle und nennen es Zeitung. Sie verschlingen einander und können sich nicht einmal verdauen.
  • Seht mir doch diese Überflüssigen! Reichthümer erwerben sie und werden ärmer damit. Macht wollen sie und zuerst das Brecheisen der Macht, viel Geld, — diese Unvermögenden!
  • Seht sie klettern, diese geschwinden Affen! Sie klettern über einander hinweg und zerren sich also in den Schlamm und die Tiefe.
  • Hin zum Throne wollen sie Alle: ihr Wahnsinn ist es, — als ob das Glück auf dem Throne sässe! Oft sitzt der Schlamm auf dem Thron — und oft auch der Thron auf dem Schlamme.
  • Wahnsinnige sind sie mir Alle und kletternde Affen und Überheisse. Übel riecht mir ihr Götze, das kalte Unthier: übel riechen sie mir alle zusammen, diese Götzendiener.
  • Meine Brüder, wollt ihr denn ersticken im Dunste ihrer Mäuler und Begierden! Lieber zerbrecht doch die Fenster und springt in’s Freie!
  • Geht doch dem schlechten Geruche aus dem Wege! Geht fort von der Götzendienerei der Überflüssigen!
  • Geht doch dem schlechten Geruche aus dem Wege! Geht fort von dem Dampfe dieser Menschenopfer!
  • Frei steht grossen Seelen auch jetzt noch die Erde. Leer sind noch viele Sitze für Einsame und Zweisame, um die der Geruch stiller Meere weht.
  • Frei steht noch grossen Seelen ein freies Leben. Wahrlich, wer wenig besitzt, wird um so weniger besessen: gelobt sei die kleine Armuth!
  • Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist: da beginnt das Lied des Nothwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise.
  • Dort, wo der Staat aufhört, — so seht mir doch hin, meine Brüder! Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen und die Brücken des Übermenschen? —
  • Also sprach Zarathustra.

Quelle: Also sprach Zarathustra – Die Reden Zarathustra’s

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9 Gedanken zu „Friedrich Nietzsche – Vom neuen Götzen!

  1. Asowosa

    MIt freien Menschen wäre kein Staat zu machen. Der Staat ist eine abgegrenzte Beutezone. Menschen in Staaten sind ganz einfach aufeinander loszulassen, während die Staatsführer dabei ihre Gewinne zählen.

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  2. rein

    DANKE, Nietsche bring einem immer auf neue Gedanken!
    Frei steht noch grossen Seelen ein freies Leben. Wahrlich, wer wenig besitzt, wird um so weniger besessen: gelobt sei die kleine Armuth!

    l.g.k.r.

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  3. sassenach

    Also sprach Sassenach ….

    ….. der Staat ist etwas widernatürliches, damals, wie heute und auf ewiglich. Einzig dient er der Gier und der Macht einiger Weniger, um den Rest als Untertanen, Diener und Sklaven für seinen Machterhalt bluten zu lassen. Wer sich daran freut, der hält zwar noch an seinem Vorteil fest, den ihm der Staate billigt, doch erkennt er in keinster Weise, wessen er schon längst beraubt wurde, wo er überall schon fest in Fesseln liegt, wo die Mauern schon weitaus höher sind, als er je blicken wird, weil gar so krumm sein Rückgrat ist.

    Die zwei Absätze, die mich am tiefsten getroffen haben – in ihrer Wahrheit, in ihrer Weisheit und der Tatsache, dass es heute noch so aktuell ist wie vor vielen Jahren.

    – Irgendwo giebt es noch Völker und Heerden, doch nicht bei uns, meine Brüder: da giebt es Staaten.

    – Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist: da beginnt das Lied des Nothwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise.

    Es gab auf unserem Planeten auf jedem Kontinent verschiedenste Völker, die einst im Einklang mit der Natur ein erfülltes und lebenswertes „Leben“ lebten. Und alle hatten eins gemeinsam – den Verzicht auf Grundbesitz, der für unsere Völker keinerlei Notwendigkeit hatte. Niemand musste rauben, töten oder versklaven, um etwas zu besitzen, so es allen erlaubt war zu nehmen was man brauchte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Alle diese Völker, egal ob in Amerika, Afrika, Australien, Europa – überall wurden diese von macht hungrigen Herrschern, in Form von Armeen vertrieben, versklavt und ermordet. Das Land, auf und mit dem sie lebten wurde in Besitz genommen von Gier getriebenen Menschen, die keinerlei Achtung vor Leben in jedweder Form haben.

    Der Mensch alleine ist es, der unseren „ver-rückten“ Kreislauf aufrecht erhält – er läuft blindlings wie ein Schaf im Kreis, ungeachtet seiner Fähigkeiten die in ihm schlummern, und die nur darauf warten geweckt zu werden. Das Notwendige zu tun sollte einem jeden eine Freude sein – das Notwendige ist zu Leben, zu Lieben und zu Sein – wir jedoch kriechen zu Kreuze vor Räubern, Verbrechern, Dieben, Mördern, Lügnern und Ausbeutern – wann werden wir wieder beginnen ein gemeinsames Lied zu singen, das Lied des Friedens, der Freude und des Lebens …. weil es im Grunde nicht mehr zu tun gäbe.

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  4. hopi

    Der Karren steckt seit Jahrtausenden im Dreck; aber die Hoffnung lebt und die Evolution bestätigt es, dass die Erde eines Tages auch vom Menschen befreit sein (und aufatmen) wird.

    Bis dahin:
    „Du sollst dich der Sonne zuwenden, nicht dem Schatten. “
    Friedrich Nietzsche

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  5. hopi

    Christian schrieb:

    hopi schrieb:
    “Du sollst dich der Sonne zuwenden, nicht dem Schatten. ”
    Friedrich Nietzsche
    Wer sich der Sonne hinwendet, wirft unvermeidlich selbst einen Schatten.

    Ja, aber der Schatten liegt HINTER mir und gibt mir die Gewissheit, dass sich alle anderen, die sich auch der Sonne zuwenden, nicht in den Rücken fallen werden.

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  6. Christian Artikelautor

    @ hopi:
    Das gilt nur, wenn alle genug Platz um die Sonne haben. Wer im Schatten eines anderen steht, ist leicht dazu geneigt, ihm in den Rücken zu fallen.

    Zu deinem vorigen Post, wo du meinst, die Erde würde sich irgendwann vom Menschen befreien. Glaubst du das wirklich? Ich glaube, dass die Erde nicht überdrüssig wird; sie ist wie sie ist.

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  7. Cev

    Ja Nietzsche wird als Verückter bezeichnet. Aber werden nicht Leute, die „Verschwörungsteoretiker“ sind nicht auch für verrückt erklärt?

    Damals wie heute sind Menschen die weiter denken als die Masse verrückt.

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